Entführte Kollegin Sonja N.: medmissio fordert aktive Unterstützung durch die Bundesregierung

Screenshot von Sonja N.

Mit großer Erleichterung und zugleich neuer Besorgnis hat medmissio – Institut für Gesundheit weltweit – das kürzlich aufgetauchte Video zur Kenntnis genommen, in dem die seit Mai 2018 in Somalia verschleppte Sonja N. erstmals wieder zu sehen ist. Die Aufnahmen zeigen eine sichtlich erschöpfte Frau, die sich als die entführte Krankenschwester aus Hamm identifiziert – und dabei direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz appelliert, sich für ihre Freilassung einzusetzen.

Sonja N. war im Auftrag des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) als medizinische Fachkraft in Mogadischu tätig, als sie aus dem Komplex der Organisation entführt wurde. Sicherheitskreise vermuten, dass mindestens ein Wachmann an der Entführung beteiligt war. Die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab, die mit Al-Kaida verbündet ist, gilt als eine der zentralen Gefahrenquellen in der Region. Auch Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats (IS) sind in Somalia aktiv.

Die nun veröffentlichten Aufnahmen sind laut IKRK „erschütternd und schwer anzuschauen“, geben aber zugleich Hoffnung. Das IKRK hat bestätigt, dass es sich bei der gezeigten Person sehr wahrscheinlich um Sonja handelt, und analysiert derzeit die Echtheit des Videos.

„Sonja N. ist eine ehemalige Mitarbeiterin unseres Instituts. Wir wussten jahrelang nicht, wie es ihr geht. Dass Sonja lebt, gibt uns Hoffnung – aber auch neue Dringlichkeit“, erklärt Prof. Dr. August Stich, Vorsitzender von medmissio, der selbst früher in Somalia gearbeitet hat und die Risiken der Arbeit vor Ort kennt. „Wir appellieren eindringlich an die Bundesregierung, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die baldige Freilassung von Sonja zu ermöglichen. Es ist jetzt an der Zeit, sich öffentlich und entschlossen für sie einzusetzen.“

Das Auswärtige Amt hat sich auf Anfrage nicht zum Fall geäußert und verwies auf die grundsätzliche Haltung, keine Angaben zu Entführungsfällen deutscher Staatsangehöriger zu machen. Für medmissio ist diese Zurückhaltung angesichts des emotionalen Appells von Sonja nicht mehr ausreichend.

„Schweigen kann in manchen Situationen sinnvoll sein – aber sieben Jahre sind eine lange Zeit, und Sonja geht es offensichtlich sehr schlecht!“, so Prof. Stich weiter. „Wenn sich eine Geisel selbst an die höchste politische Instanz in unserem Land wendet, darf das nicht mit einem formalen Verweis auf Verfahrensgrundsätze abgetan werden. Sonja verdient konkrete Hilfe, und zwar schnell.“

Als langjährige Partnerorganisation des IKRK und als Institution, die sich weltweit für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung einsetzt, kennt medmissio die Herausforderungen und Gefahren in fragilen Staaten. Umso wichtiger ist es, den Schutz und die Rückendeckung für Fachkräfte zu verstärken.

medmissio fordert von der Bundesregierung:

  • eine aktive diplomatische Initiative zur Freilassung Sonjas,
  • die enge Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem IKRK,
  • und klare Signale, dass Deutschland seine Helferinnen und Helfer im Ausland nicht alleine lässt.

Sonja N. steht stellvertretend für viele humanitäre Kräfte, die weltweit unter Einsatz ihres Lebens für andere Menschen da sind. Ihre Entführung ist ein tragisches Beispiel für die Risiken dieser Arbeit – aber auch für ihren Wert.

„Wir stehen solidarisch an der Seite von Sonja und ihrer Familie“, sagt Prof. Stich. „Wir hoffen, dass ihr Appell nicht ungehört bleibt. Wir beten ab jetzt täglich um ihre Rückkehr und werden ihr helfen, so gut wir können!“
Kai Fraass